Beisichführen eines gefährlichen Werkzeugs

1. Die – den Qualifikationstatbestand eingrenzende – subjektive Komponente des Beisichführens eines gefährlichen Werkzeugs setzt voraus, dass der Täter dieses bewusst gebrauchsbereit bei sich hat. Ausreichend, aber auch erforderlich ist insoweit das allgemeine, noch auf keinen bestimmten Zweck gerichtete, während der Tatbegehung aktuelle Bewusstsein, ein funktionsbereites Werkzeug zur Verfügung zu haben, welches geeignet ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen (sogenanntes „parates Wissen“).

2. Es ist Aufgabe des Tatrichters, ausreichende Feststellungen zum Vorstellungsbild des Täters zu treffen, wobei die Anforderungen umso höher sind, je weniger der bestimmungsgemäße Gebrauch des Gegenstandes eine Zweckentfremdung als potentielles Nötigungsmittel nahelegt.

KG, Beschluss v. 03.11.2015 –  (5) 121 Ss 203/15 (53/15)

Volltext

BGH: Straftat nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG)

Der BGH hat in der zitierten Leitsatzentscheidung Stellung zu einer immer wiederkehrenden Frage im Rahmen der Verteidigung gegen den Vorwurf des Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz genommen. Gewaltschutzverfügungen werden durch die zuständigen Familiengerichte oftmals im Eilverfahren ohne mündliche Verhandlung und ohne vorhergehende Anhörung erlassen. In der StPO hingegen ist das Mündlichkeitsprinzip verankert. Wenn nun aber eine Entscheidung, die ohne Anhörung und /oder ohne mündliche Verhandlung Grundlage für die Strafbarkeit eines Verhaltens sein soll, stellt sich zwangsläufig die Frage nach der Akzessorietät. Es ist also zu klären, ob die Strafbarkeit einer Zuwiderhandlung gegen eine Entscheidung von der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung abhängen soll oder nicht.

Leitsatz:

Die Verurteilung nach § 4 Satz 1 GewSchG wegen einer Zuwiderhandlung gegen eine Anordnung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 GewSchG setzt voraus, dass das Strafgericht die materielle Rechtmäßigkeit der Anordnung überprüft und dabei deren tatbestandliche Voraussetzungen eigenständig feststellt; an die Entscheidung des Familiengerichts ist es insoweit nicht gebunden. (BGHSt)

Normen: § 4 GewSchG; § 1 Abs. 1 Satz 1 und 3 GewSchG

BGH, Beschluss v. 28.11.2013 – 3 StR 40/13 – OLG Oldenburg http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=bbb30e62c436f6b49087d810666eba70&nr=66645&pos=0&anz=1

 

Übereinstimmung von DNA-Identifizierungsmustern

Der BGH hatte über die Voraussetzungen der Überführung anhand von DNA-Identifizierungsmustern zu entscheiden. Mit Urteil vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12 – LG Duisburg wurde durch den BGH folgende Leitsätze aufgestellt.
1. Ob sich das Tatgericht allein aufgrund der Übereinstimmung von DNA-Identifizierungsmustern von der Täterschaft eines Angeklagten zu überzeugenvermag, ist vorrangig-wie die Beweiswürdigung ansonsten auch-ihm selbst überlassen. Im Einzelfall kann es revisionsrechtlich sowohl hinzunehmen sein,dass sich das Tatgericht eine entsprechende Überzeugung bildet, als auch, dass es sich dazu aufgrund vernünftiger Zweifel nicht in der Lage sieht.
 2. Zum notwendigen Darlegungsumfang von DNA-Vergleichsuntersuchungen im Urteil.

BGH: Überwachung von Personen mittels an Fahrzeugen angebrachter GPS-Empfänger ist grundsätzlich strafbar

Urteil vom 4. Juni 2013 – 1 StR 32/13

LG Mannheim – Urteil vom 18. Oktober 2012 – 4 KLs 408 Js 27973/08

Karlsruhe, den 4. Juni 2013

Bislang liegt nur eine Pressemitteilung des BGH vor, das Urteil ist schriftlich noch nicht verfügbar:

Das Landgericht Mannheim hat den Betreiber einer Detektei sowie einen seiner Mitarbeiter wegen gemeinschaftlichen vorsätzlichen unbefugten Erhebens von Daten gegen Entgelt in mehreren Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen unterschiedlicher Höhe verurteilt, deren Vollstreckung es jeweils zur Bewährung ausgesetzt hat.

Die Angeklagten hatten verdeckt für verschiedene Auftraggeber (Privatpersonen) Überwachungsaufträge ausgeführt, die zu Erkenntnissen über das Berufs- und/oder das Privatleben von Personen (Zielpersonen) führen sollten. Die Motive der Auftraggeber waren im Einzelnen unterschiedlich: Vorwiegend ging es um wirtschaftliche und private Interessen, die sich teilweise, etwa im Zusammenhang mit Eheauseinandersetzungen, auch überschnitten.

Zur Erfüllung ihres Auftrags bedienten sich die Angeklagten in großem Umfang der GPS-Technik (Global Positioning System), indem sie einen GPS-Empfänger unbemerkt an den Fahrzeugen der Zielpersonen anbrachten. Dadurch konnten sie feststellen, wann und wo sich das jeweilige Fahrzeug aufhielt. Auf diese Weise erstellten sie Bewegungsprofile der Zielpersonen.

Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Landgericht die Angeklagten wegen einer Reihe strafbarer Verstöße gegen das Bundesdatenschutzgesetz (§§ 44* iVm. 43 Abs. 2 Nr. 1 ** BDSG) verurteilt. Nach Auffassung des Landgerichts waren die Angeklagten nicht im Sinne von §§ 28 Abs. 1 Nr. 2*** oder 29 Abs. 1 Nr. 1**** BDSG befugt, die GPS-Empfänger einzusetzen. Differenzierungen zwischen den einzelnen Fällen hat es nicht vorgenommen.

Mit ihren Revisionen haben sich die Angeklagten u.a. gegen die rechtliche Bewertung des Landgerichts gewandt, die Datenerhebung durch die Angeklagten sei unbefugt gewesen. Die erforderliche einzelfallbezogene Abwägung der widerstreitenden Interessen habe das Landgericht nicht vorgenommen.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die heimliche Überwachung der „Zielpersonen“ mittels eines GPS-Empfängers grundsätzlich strafbar ist. Zwar ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall erforderlich. Jedoch kann lediglich bei Vorliegen eines starken berechtigten Interesses an dieser Datenerhebung die Abwägung ausnahmsweise (etwa in notwehrähnlichen Situationen) ergeben, dass das Merkmal des unbefugten Handelns bei diesen Einsätzen von GPS-Empfängern zu verneinen ist.

Ob solche Ausnahmen in einigen Fällen vorlagen, konnte nicht abschließend überprüft werden, da das Landgericht, das von einem anderen rechtlichen Maßstab ausgegangen war, hierzu keine ausreichenden Feststellungen getroffen hatte. Dies führte zu einer Aufhebung und Zurückverweisung wegen eines Teils der angeklagten Fälle an eine andere Strafkammer des Landgerichts.

Soweit hingegen nach den Urteilsfeststellungen die Annahme eines solches berechtigten Interesses von vorneherein ausgeschlossen war, hatten die Schuld- und Einzelstrafaussprüche Bestand.

 

Bundesdatenschutzgesetz

* § 44 Strafvorschriften

(1) Wer eine in § 43 Abs. 2 bezeichnete vorsätzliche Handlung gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt. Antragsberechtigt sind der Betroffene, die verantwortliche Stelle, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit und die Aufsichtsbehörde.

** § 43 Bußgeldvorschriften

(1) …

(2) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig

1. unbefugt personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, erhebt oder verarbeitet,

*** § 28 Datenerhebung und -speicherung für eigene Geschäftszwecke

(1) Das Erheben, Speichern, Verändern oder Übermitteln personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke ist zulässig

1. …

2. soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt, oder

3. …

**** § 29 Geschäftsmäßige Datenerhebung und -speicherung zum Zweck der Übermittlung

(1) Das geschäftsmäßige Erheben, Speichern, Verändern oder Nutzen personenbezogener Daten zum Zweck der Übermittlung, insbesondere wenn dies der Werbung, der Tätigkeit von Auskunfteien oder dem Adresshandel dient, ist zulässig, wenn

1. kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Veränder

Fahren unter Drogeneinfluss: Grenzwerten bei Kokainkonsum für die Annahme der absoluten Fahruntüchtigkeit

Wer mit Kokain am Steuer festgestellt wird, sollte sich unbedingt verteidigen lassen. Für erfahrene Strafverteidiger bieten sich gute Verteidigungsansätze. Von der strafrechtlichen Fragestellung zu unterscheiden sind die möglichen verwaltungsrechtlichen Folgen bezüglich der Fahrerlaubnis, insbesondere in der Probezeit.

Urteil des Landgerichts Berlin vom 10.04.2012 zum Aktenzeichen (524) 11 Ju Js 1853/10 (36/11), 524 – 36/11

Leitsatz

Nach Kokainkonsum lassen sich keine Grenzwerte festlegen, bei deren Überschreitung die absolute Fahruntüchtigkeit angenommen werden kann.Aus dem Urteil:

Zwar werden die von der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft „Bundeseinheitlicher Tatbestandskatalog“ (sog. Grenzwertkommission) am 4. September 2007 festgesetzten Grenzwerte (für Benzoylecgonin 75 ng/ml und Kokain 10 ng/ml) im vorliegenden Fall jeweils übertroffen. Dies führt aber ebenfalls nicht zur Annahme einer absoluten Fahruntüchtigkeit: Denn bei diesen Grenzwerten handelt es sich um analytische und nicht um normative Grenzwerte. Da bundesweit nicht jedes Labor aufgrund der dort vorhandenen Ausstattung mit entsprechenden Spezialgeräten in der Lage ist, auch Kleinstmengen von Kokain oder dessen Abbauprodukten zu bestimmten, hat die Kommission bundeseinheitlich festgelegt, von welcher Mindestmenge an, jedes Labor in Deutschland in der Lage ist, sicher anzugeben, dass Kokain konsumiert wurde. Dabei entfaltet der Nachweis des Abbauprodukts Benzoylecgonin nur dann Relevanz, wenn Kokain selbst nicht nachgewiesen wurde. Im vorliegenden Fall ist also allein der Wert von 10 ng/ml Kokain zu diskutieren. Eine Rückrechnung ist anders als bei Alkohol nicht möglich, da diese Droge schnell an- und ebenso schnell abflutet und sich lineare Berechnungen deshalb verbieten. Aus dem Überschreiten des analytischen Grenzwertes kann also nur sicher geschlossen werden, dass die Angeklagte während der Fahrt unter dem Einfluss von Kokain stand. Wie hoch dosiert das Rauschgift konsumiert wurde, lässt sich aber ebenso wenig angeben wie die Auswirkungen auf das Fahrverhalten.
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Ganz allgemein lässt sich festhalten, dass sich Kokainkonsum in vielerlei Hinsicht nachtteilig auf das Fahrverhalten auswirken kann. In der euphorischen Phase bewirkt er eine risikobereite oder aggressive Fahrweise etwa durch unangepasst hohe Geschwindigkeit oder riskante Überholmanöver, da das eigene Leistungsvermögen überschätzt wird. Die mit dem Rauschgiftkonsum einhergehende Pupillenerweiterung kann zu einer Verminderung des Sehvermögens führen, was sich besonders bei Tunnel- und Nachtfahrten bemerkbar machen kann. Beim Abklingen der Wirkung sind Auffälligkeiten (z.B. wechselnde Fahrgeschwindigkeiten oder Schwierigkeiten beim Spurhalten) aufgrund eines körperlichen Erschöpfungszustandes zu erwarten.
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Weitergehende Feststellungen über Kokain-Konsum und Fahrverhalten lassen sich nach den derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht treffen, wobei der Sachverständige insbesondere auf aktuelle empirische Studien aus Frankreich (2003) und Norwegen (2008 und 2011) zurückgreifen konnte. Da Kokain in unterschiedlicher Konzentration bei unterschiedlichen Personen zu ganz unterschiedlichen Folgen führen kann, ist ein normativer Grenzwert, bei dem die absolute Fahruntauglichkeit anzunehmen wäre, derzeit nicht in Sicht.
 

Akteneinsicht

Akteneinsicht im Strafverfahren

Die Akteneinsicht bildet den Grundstein der Strafverteidigung. Ohne Akteneinsicht, keine seriöse Verteidigung. Ein Beschuldigter/ Angeschuldigter/ Angeklagter hat nicht uneingeschränkt das Recht auf vollständige Akteneinsicht, § 147 Abs. 7 StPO.  Zwar sind dem unverteidigten Angeklagten seit Inkrafttreten des neuen § 147 Abs. 7 S. 1 StPO am 01.01.2010 auf

„Antrag  Auskünfte und Abschriften aus den Akten zu erteilen

allerdings nur,

„soweit dies zu einer angemessenen Verteidigung erforderlich ist, der Untersuchungeszweck, auch in einem anderen Strafverfahren, nichtgefährdet werden kann und nicht überwiedgende schutzwürdige Interessen Dritter entgegenstehen.“

Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, § 29 BtMG

Im Beschluss des BGH vom 27.03.2012, 3 StR 64/12, geht es um die Voraussetzungen des Handeltreibens von Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG. Die Abgrezung zwischen Veräußern von Betäubungsmitteln und Handeltreiben mit Betäubungsmitteln ist wichtig für die Frage der Strafe und des Strafmaßes, zumal das Tatbestandsmerkmal des Handelstreibens sehr weit gefasst ist, zumal es sich um ein Tätigkeits- und nicht um ein Erfolgsdelikt handelt. Nach ständiger Rchtsprechung des BGH sind unter  „Handeltreiben“ alle „eigennützigen Bemühungen zu verstehen, die darauf gerichtet sind den Umsatz von BtM zu ermöglichen oder zu fördern, selbst wenn es sich nur um eine einmalige oder auch nur vermittelnde Tätigkeit handelt“.

Interessant für die Verteidigung ist deshalb immer eine weitergehende konkretisierende Tatbestandsauslegung durch höchstrichterliche Rechtsprechung. So hat der BGH in der o.a. Entschiedung klargestellt, dass Handeltreiben mit Betäubungsmitteln eigennützige Motive des Täters voraussetzt. „Nicht eigennützig ist ein Umsatzgeschäft, das allein auf die Überlassung von Betäubungsmitteln zum Selbstkostenpreis oder Einstandspreis gerichtet ist.“ Zu beurteilen ist die Frage der Eigennützigkeit bezogen auf das konkret in Frage stehende Umsatzgeschäft. „Es muss sich gerade aus diesem Umsatzgeschäft ein eigener Nutzen für den Täter ergeben; dass ihm aus den Umständen des Erwerbs der umzusetzenden Betäubungsmittel Vorteile erwachsen, genügt für sich alleine nicht. Daher liegt kein Handeltreiben vor, wenn der Täter zur Erzielung eines günstigeren Einkuafspreisees auch für andere Abnehmer einkauft und diesen die Betäubungsmittel dann zum Einkaufspreis überlässt.“

Begründungserfordernis eines Beschlagnahmebeschlusses, LG Bielefeld, Beschluss v. 25.01.2013 – 1 Qs 629/12

Fundstelle: Rechtsprechungsdatenbank des Landes Nordrhein-Westfalen – http://www.justiz.nrw.de

Bei der richterlichen Anordnung der Beschlagnahme gemäß § 98 StPO muss zumindest andeutungsweise zum Ausdruck gebracht werden, aufgrund welcher Umstände Anlass zu der Annahme besteht, dass die Gegenstände als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können. Als Beweismittel hat ein Gegenstand dann Bedeutung, wenn die bloße Möglichkeit besteht, dass er in dem gegen den Beschuldigten anhängigen Verfahren zu seiner Be-, aber auch zu seiner Entlastung als Beweismittel möglicherweise zu benutzen sein wird. Für welche Beweisführung ein Gegenstand im Einzelnen in Betracht kommt, braucht dagegen noch nicht festzustehen.

An einer solchen Begründung der potentiellen Beweisbedeutung der beschlagnahmten Gegenstände fehlt es in dem angefochtenen Beschluss. In den Gründen beschränken sich die Ausführungen hierzu auf die substanzarme und pauschale Behauptung, dass die beschlagnahmten Unterlagen und Gegenstände von Bedeutung seien, weil sich aus ihnen Hinweise für die Tat und Tatbeiträge ergeben. Worauf diese Annahme gestützt wird, geht aus dem Beschluss nicht einmal ansatzweise hervor. Zwar muss für eine wirksame Beschlagnahme noch nicht feststehen, für welche Beweisführung die Gegenstände im Einzelnen in Betracht kommen. Es bedarf auch keiner Darlegung der potentiellen Beweiserheblichkeit für jedes beschlagnahmte Schriftstück (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.02.2008, 2 BvR 2697/07). Jedoch fehlt es in dem angefochtenen Beschluss gänzlich an einer Begründung dafür, warum die beschlagnahmten Gegenstände und Unterlagen in dem gegen den Beschuldigten anhängigen Verfahren wegen des Vorwurfes des Abrechnungsbetruges zu seiner Be- oder Entlastung als Beweismittel in Betracht kommen.

Eine solche potentielle Beweisbedeutung ergibt sich auch nicht ohne weiteres aus der Bezeichnung der entsprechenden Gegenstände und Unterlagen, wie sie in dem Tenor des angefochtenen Beschlusses enthalten ist. In dem Beschluss sind die einzelnen Gegenstände nur allgemein bezeichnet und teilweise gattungsmäßig zusammengefasst worden. So ist – worauf der Verteidiger in der Beschwerdeschrift zutreffend hinweist – beispielsweise nicht aus sich heraus verständlich, woraus sich die potentielle Beweisbedeutung von „Wohnung T.: 1 Stehordner Trainer C-Lizenz, 1 Umschlag SD Karte, Canon“ oder „Büroräume T.: Standort Wandschrank gegenüber von Behandlungszimmer 2: 52 Stehordner“, „Standort Büro T.: 19 Stehordner, lose Unterlagen, 2 Karteikästen, (…)“ ergibt. Insoweit weist die Kammer zusätzlich darauf hin, dass eine solche Bezeichnung der Gegenstände auch dazu geeignet sein dürfte, Zweifel über den Umfang der Maßnahme aufkommen zu lassen.

Da in dem angefochtenen Beschluss eine Begründung der potentiellen Beweisbedeutung als (eine) Voraussetzung für eine richterliche Beschlagnahmeanordnung fehlt, liegt ein derart erheblicher Begründungsmangel vor, dass die Kammer in diesem Fall entgegen § 309 Abs. 2 StPO nicht in der Sache entschieden hat. Sie hat die Sache unter Aufhebung des Beschlusses an das Amtsgericht zurückverwiesen, um dem Beschuldigten nicht eine Rechtsmittelinstanz zu nehmen (vgl. Löwe-Rosenberg, Kommentar zur StPO, 26. Auflage, § 34, Rdnr. 14).

Untersuchungshaft – Voraussetzungen für den Haftgrund der Wiederholungsgefahr

Leitsatz des Kammergerichts KG Berlin 4. Strafsenat, Beschluss vom 28.02.12, Az. 4 Ws 18/12, 4 Ws 18/12 – 141 AR 100/12:

Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr (§ 112 a Abs. 1 StPO) dient nicht der Verfahrenssicherung, sondern soll die Rechtsgemeinschaft vorbeugend vor weiteren Straftaten schützen, so dass an diese präventive Sicherungshaft aus verfassungsrechtlichen Gründen strenge Anforderungen zu stellen sind. Danach muss der Angeklagte zunächst dringend verdächtig sein, wiederholt Straftaten nach dem enumerativen Katalog des § 112 a Abs. 1 StPO begangen und dadurch die Rechtsordnung unter besonderer Berücksichtigung der Opferperspektive schwerwiegend beeinträchtigt zu haben. Zudem muss eine Freiheitsentziehung von mehr als einem Jahr zu erwarten sein. Zu berücksichtigen sind auch die früheren Taten des Angeklagten.

Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr (§ 112 a Abs. 1 Nr. 2 StPO) ist auch im Jugendstrafrecht anwendbar (vgl. Senat, Beschluss vom 27. Mai 2008 in StV 2009, 83; OLG Hamm, Beschluss vom 22. Oktober 2001 in StV 2002, 432 = NStZ 2004, 80 bei Paeffgen).

Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr dient nicht der Verfahrenssicherung, sondern soll die Rechtsgemeinschaft vorbeugend vor weiteren Straftaten schützen, so dass an diese präventive Sicherungshaft aus verfassungsrechtlichen Gründen strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl. KG, NStZ-RR 2010, 291; BVerfGE 19, 342, 349 ff und 35, 191, 195; Hilger in Löwe-Rosenberg, StPO 26. Aufl., § 112 a Rdn. 10, 30).

Danach muss der Angeklagte zunächst dringend verdächtig sein, wiederholt, d.h. in mindestens zwei Fällen, Straftaten nach dem enumerativen Katalog des § 112 a Abs. 1 StPO begangen und dadurch die Rechtsordnung unter besonderer Berücksichtigung der Opferperspektive schwerwiegend beeinträchtigt zu haben, wofür erforderlich ist, dass die in Frage kommenden, bereits abstrakt erheblichen Strafvorschriften auch konkret in überdurchschnittlicher Weise verletzt worden sind (vgl. Senat, Beschluss vom 10. April 2007 -4 Ws 47/07-; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2006, 210, 211; OLG Dresden StV 2006, 534, 535; OLG Frankfurt/M. NStZ 2001, 75, 76). Zudem muss eine Freiheitsentziehung von mehr als einem Jahr zu erwarten sein, wozu auch die Jugendstrafe zählt (vgl. Hilger in Löse-Rosenberg, StPO 26. Aufl., § 112 a Rdn. 46; Meyer-Goßner a.a.O., § 112 a Rdn. 10).

Bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr sind auch die früheren Taten des Angeklagten zu berücksichtigen (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.; OLG Köln, Beschluss vom 7. September 2004 -2 Ws 410/04-; Meyer-Goßner a.a.O., § 112a Rdn. 8 m.w.N.).

Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr gilt laut KG  auch im Jugendstrafrecht.

Kreditbetrug – Verwendung gefälschter Gehaltsunterlagen

Der Betrugstatbestand ist kompliziert aufgebaut. Vielfältig sind die Begehungsweisen eines Betruges. Umso komplizierter ist die rechtliche Bewertung einer Handlung bezogen auf den Betrugstatbestand. Aus diesem Grund befassen sich die Obergerichte und der BGH regelmäßig mit den Voraussetzzungen der Erfüllung des Betrugstatbestandes, insbesondere um die Frage, ab welchem Zeitpunkt das Versuchsstadium und damit die Strafbarkeit begründet werden. Das Kammergericht hat sich mit Beschluss vom 29.02.2012 zur Thematik geäußert. In dem Fall geht es um den beabsichtigten Abschluss eines Kreditvertrages, wobei zum Zwecke der Bonitätsprüfung gefälschte Gehaltsunterlagen vorgelegt wurden.

Leitsatz des Kammergerichts

Im Fall eines mehraktigen Geschehensablaufes ist erst die Täuschungshandlung versuchsbegründend, welche die zu täuschende Person ohne weitere wesentliche Zwischenschritte zur irrtumsbedingten Vermögensverfügung veranlasst. Das Vorbereitungsstadium verlässt, wer nach Aufnahme der auf einen sofortigen Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages gerichteten Verhandlungen gefälschte Gehaltsnachweise vorlegt, auch wenn noch nicht alle Detailfragen des Darlehensvertrages fixiert waren, die Bonitätsprüfung noch ausstand und der schriftliche Darlehensantrag noch nicht unterzeichnet wurde. KG Berlin 4. Strafsenat, Beschluss vom29.02.2012, Az. (4) 121 Ss 21/12 (32/12).

 

Grundsätzlich geht die Tendenz der Rechtsprechung zur Bejahung des Betruges bei mehraktigen Geschehensabläufen dahin, dass objektiv und aus Sicht des Täters weitere wesentliche Zwischenschritte bis zum Vertragsabschluss und damit der Vollendung des (Eingehungs-) Betruges nicht mehr notwendig sind. Dies gelte laut KG auch dann, wenn das Ergebnis der von der Bank vorzunehmenden Bonitätsprüfung noch ausstand und der Angeklagte nach dieser den Darlehensantrag noch zu unterzeichnen hatte