Eilkompetenz der Ermittlungsbehörden für eine Durchsuchungsanordnung endet mit der Befassung des zuständigen Richters

LG Berlin: Durchsuchung in Bagatellsachen nicht von vorneherein ausgeschlossen

Das Landgericht Berlin musste sich in einem Beschwerdeverfahren mit der Frage befassen, ob die einschneidende Maßnahme der Durchsuchung bei Ordnungswidrigkeiten zulässig ist. Dreh- und Angelpunkt ist hier die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme. Klargestellt wird in der Entscheidung, dass hier eine Abwägung der widerstreitenden Interesse unter Maßgabe der konkreten Umstände des Einzelfalls stattfinden muss.

LG Berlin 10. Große Strafkammer, Beshcluss vom 16.04.2014 – Az 510 Qs 49/14

Leitsatz: Durchsuchung auch bei Ordnungswidrigkeit im Falle eines wiederholten und hartnäckigen Gesetzesverstoßes zulässig

Die bisherigen Ermittlungen bestätigen den Verdacht, dass der Betroffene wiederholt gegen die Gewerbeordnung und das Berliner Straßengesetz verstoßen und deshalb mehrfach den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit verwirklicht habe. Denn das gewerbsmäßige Betreiben mobiler Stände zum Anbringen von Siegeln u. Ä. bedarf gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 GewO einer Reisegewerbekarte, die der Betroffene nicht hat. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass er zum Teil Postkarten mit Siegeln u. Ä. weitergibt. Denn maßgeblich ist hier nicht das Feilbieten von Druckwerken, sondern die Leistung des Betroffenen, Schriftstücke oder andere Gegenstände durch das Anbringen von Siegeln o. Ä. einen Anschein zu verschaffen, dass sie aus der „DDR“-Zeit stammten. Diese Leistungserbringung ist auch nicht vom Gemeingebrauch nach § 11 BerlStrG gedeckt. Kein Gemeingebrauch liegt nämlich vor, wenn jemand die Straße nicht zum Verkehr, sondern jedenfalls vorwiegend zu anderen Zwecken benutzt (vgl. auch OVG Berlin, Urteil vom 17. September 2003 – 1 B 15.03 – juris Rn. 13). Über eine Sondernutzungsgenehmigung verfügt der Betroffenen nicht

Die Durchsuchung der Wohnräume des Betroffenen ist auch erforderlich, um die Ordnungswidrigkeiten (weiter) aufzuklären. Denn es steht zu erwarten, dass der Betroffenen in seiner Wohnung über Gegenstände verfügt, um seine – unzulässige – Gewerbetätigkeit vor- und nachzubereiten. Dies ist insbesondere deshalb zu erwarten, weil der Betroffenen auf Grund seiner mobilen Tätigkeiten die erforderlichen Utensilien nicht immer umfänglich bei sich führen kann. Auch unter Berücksichtigung von Art. 13 GG ist die Durchsuchung nicht unverhältnismäßig. Einen allgemeinen Grundsatz, dass Wohnungsdurchsuchungen in Bagatellsachen nicht zulässig sind, gibt es nicht (vgl. OLG Düsseldorf NJW 1980, 1171). Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalls ein, für den die widerstreitenden Interessen gegeneinander abzuwägen sind. Dabei ist hier zu bedenken, dass es sich um Gesetzesverstöße handelt, die vor dem Hintergrund der für die Verstöße gewählten Örtlichkeiten am Potsdamer Platz in Berlin-Mitte und vor Segmenten der Berliner Mauer nicht nur national, sondern auch international auffallen und vom Betroffenen insoweit mit Bedacht ausgewählt wurden. Im Rahmen der gebotenen Abwägung wirkt es sich für den Betroffenen zudem nachteilig aus, dass er wiederholt und hartnäckig gegen das Gesetz verstößt.

 

http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/?quelle=jlink&docid=KORE211492014&psml=sammlung.psml&max=true&bs=10

Begründungserfordernis eines Beschlagnahmebeschlusses, LG Bielefeld, Beschluss v. 25.01.2013 – 1 Qs 629/12

Fundstelle: Rechtsprechungsdatenbank des Landes Nordrhein-Westfalen – http://www.justiz.nrw.de

Bei der richterlichen Anordnung der Beschlagnahme gemäß § 98 StPO muss zumindest andeutungsweise zum Ausdruck gebracht werden, aufgrund welcher Umstände Anlass zu der Annahme besteht, dass die Gegenstände als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können. Als Beweismittel hat ein Gegenstand dann Bedeutung, wenn die bloße Möglichkeit besteht, dass er in dem gegen den Beschuldigten anhängigen Verfahren zu seiner Be-, aber auch zu seiner Entlastung als Beweismittel möglicherweise zu benutzen sein wird. Für welche Beweisführung ein Gegenstand im Einzelnen in Betracht kommt, braucht dagegen noch nicht festzustehen.

An einer solchen Begründung der potentiellen Beweisbedeutung der beschlagnahmten Gegenstände fehlt es in dem angefochtenen Beschluss. In den Gründen beschränken sich die Ausführungen hierzu auf die substanzarme und pauschale Behauptung, dass die beschlagnahmten Unterlagen und Gegenstände von Bedeutung seien, weil sich aus ihnen Hinweise für die Tat und Tatbeiträge ergeben. Worauf diese Annahme gestützt wird, geht aus dem Beschluss nicht einmal ansatzweise hervor. Zwar muss für eine wirksame Beschlagnahme noch nicht feststehen, für welche Beweisführung die Gegenstände im Einzelnen in Betracht kommen. Es bedarf auch keiner Darlegung der potentiellen Beweiserheblichkeit für jedes beschlagnahmte Schriftstück (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.02.2008, 2 BvR 2697/07). Jedoch fehlt es in dem angefochtenen Beschluss gänzlich an einer Begründung dafür, warum die beschlagnahmten Gegenstände und Unterlagen in dem gegen den Beschuldigten anhängigen Verfahren wegen des Vorwurfes des Abrechnungsbetruges zu seiner Be- oder Entlastung als Beweismittel in Betracht kommen.

Eine solche potentielle Beweisbedeutung ergibt sich auch nicht ohne weiteres aus der Bezeichnung der entsprechenden Gegenstände und Unterlagen, wie sie in dem Tenor des angefochtenen Beschlusses enthalten ist. In dem Beschluss sind die einzelnen Gegenstände nur allgemein bezeichnet und teilweise gattungsmäßig zusammengefasst worden. So ist – worauf der Verteidiger in der Beschwerdeschrift zutreffend hinweist – beispielsweise nicht aus sich heraus verständlich, woraus sich die potentielle Beweisbedeutung von „Wohnung T.: 1 Stehordner Trainer C-Lizenz, 1 Umschlag SD Karte, Canon“ oder „Büroräume T.: Standort Wandschrank gegenüber von Behandlungszimmer 2: 52 Stehordner“, „Standort Büro T.: 19 Stehordner, lose Unterlagen, 2 Karteikästen, (…)“ ergibt. Insoweit weist die Kammer zusätzlich darauf hin, dass eine solche Bezeichnung der Gegenstände auch dazu geeignet sein dürfte, Zweifel über den Umfang der Maßnahme aufkommen zu lassen.

Da in dem angefochtenen Beschluss eine Begründung der potentiellen Beweisbedeutung als (eine) Voraussetzung für eine richterliche Beschlagnahmeanordnung fehlt, liegt ein derart erheblicher Begründungsmangel vor, dass die Kammer in diesem Fall entgegen § 309 Abs. 2 StPO nicht in der Sache entschieden hat. Sie hat die Sache unter Aufhebung des Beschlusses an das Amtsgericht zurückverwiesen, um dem Beschuldigten nicht eine Rechtsmittelinstanz zu nehmen (vgl. Löwe-Rosenberg, Kommentar zur StPO, 26. Auflage, § 34, Rdnr. 14).