Cannabisplantage – Abgrenzung Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

BtMG § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 29a Abs. 1 Nr. 2

Bei einem auf spätere Veräußerung zielenden Anbau von Cannabispflanzen ist für
die Abgrenzung des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BtMG) vom Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a
Abs. 1 Nr. 2 BtMG) die Menge maßgeblich, die mit der bereits begonnenen Aufzucht
der Pflanzen letztlich erzielt und gewinnbringend veräußert werden soll.

 

BGH, 3 StR 315/10, Urteil vom 20.12.2012

Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, § 29 BtMG

Im Beschluss des BGH vom 27.03.2012, 3 StR 64/12, geht es um die Voraussetzungen des Handeltreibens von Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG. Die Abgrezung zwischen Veräußern von Betäubungsmitteln und Handeltreiben mit Betäubungsmitteln ist wichtig für die Frage der Strafe und des Strafmaßes, zumal das Tatbestandsmerkmal des Handelstreibens sehr weit gefasst ist, zumal es sich um ein Tätigkeits- und nicht um ein Erfolgsdelikt handelt. Nach ständiger Rchtsprechung des BGH sind unter  „Handeltreiben“ alle „eigennützigen Bemühungen zu verstehen, die darauf gerichtet sind den Umsatz von BtM zu ermöglichen oder zu fördern, selbst wenn es sich nur um eine einmalige oder auch nur vermittelnde Tätigkeit handelt“.

Interessant für die Verteidigung ist deshalb immer eine weitergehende konkretisierende Tatbestandsauslegung durch höchstrichterliche Rechtsprechung. So hat der BGH in der o.a. Entschiedung klargestellt, dass Handeltreiben mit Betäubungsmitteln eigennützige Motive des Täters voraussetzt. „Nicht eigennützig ist ein Umsatzgeschäft, das allein auf die Überlassung von Betäubungsmitteln zum Selbstkostenpreis oder Einstandspreis gerichtet ist.“ Zu beurteilen ist die Frage der Eigennützigkeit bezogen auf das konkret in Frage stehende Umsatzgeschäft. „Es muss sich gerade aus diesem Umsatzgeschäft ein eigener Nutzen für den Täter ergeben; dass ihm aus den Umständen des Erwerbs der umzusetzenden Betäubungsmittel Vorteile erwachsen, genügt für sich alleine nicht. Daher liegt kein Handeltreiben vor, wenn der Täter zur Erzielung eines günstigeren Einkuafspreisees auch für andere Abnehmer einkauft und diesen die Betäubungsmittel dann zum Einkaufspreis überlässt.“

Strafvollstreckung bei BtM-Abhängigen – Versagung der Rückstellung nach § 35 BtMG

Wenn ein betäubungsmittelabhängiger Verurteilter die Rückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG beantragt und eben diese Rückstellung versagt wird, bietet sich die Möglichkeit eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG. Fest steht: Der Antrag muss unbedingt fristgerecht erfolgen. Welchen Anforderungen muss dabei Begründung des Antrags im Sinne des § 24 EGGVG genügen?

Der 4. Strafsenat des Kammergerichts hat sich in seinem Beschluss vom 01.02.2012 zum Aktenzeichen 4 VAs 6/12, 4 VAs 6/12-121 Zs 3382/11, 4VAs 6/12 – 121 Zs 3392/11 http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/?quelle=jlink&docid=KORE216802012&psml=sammlung.psml&max=true&bs=10 eingehend mit der Frage beschäftigt. Hier die Leitsätze:

1. Zur Zulässigkeit eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG sind eine aus sich heraus verständliche Sachdarstellung sowie der Vortrag von Tatsachen erforderlich, aus denen sich schlüssig eine Rechtsverletzung durch die angegriffene Entscheidung ergibt.

2. Im Antragsverfahren nach den §§ 23 ff EGGVG nimmt der Senat nicht, entsprechend einem strafprozessualen Beschwerdeverfahren, die Beiziehung und Auswertung der nötigen Akten und Unterlagen vor, um sich durch Aktenstudium die Gegenstände und Gründe für das Antragsbegehren selbst zu erschließen.

3. Die Begründungsanforderungen kann der Antragsteller nicht zur Minimierung des eigenen Aufwands umgehen, indem er einem untauglichen Antragsvorbringen Anlagen beifügt, aus denen das Gericht den Sachverhalt selbst zusammenfügen muss. Offen bleibt, ob der Senat gehalten ist, eine ohne jede Erläuterung in Kopie beigefügte angefochtene Entscheidung auszuwerten und gedanklich in das (vermutlich gewollte) Begründungsvorbringen einzufügen.

4. Zu den Anforderungen an die Substantiierung eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung gegen die Versagung einer Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG.

Quintessenz der Entscheidung: Die Begründung muss sorgfältig erfolgen, um die Chance auf einen Erfolg des Antrages nicht vorneherein zu minimieren. Da der zuständige Senat anders als in strafprozessualen Beschwerdeverfahren nicht die nötigen Akten und Unterlagen beizieht und auswertet, um sich so Sachverhalt, Gründe und Gegenstand des Antragsbegehren unmittelbar anhand der Akten zu vergegenwärtigen und zu erschließen ist es zwingend notwendig, „sich aufgrund einer geschlossenen Sachverhaltsdarstellung mit den Begründungen der Ablehnungsentscheidungen auseinanderzusetzen und substantiiert (…)darlegen müssen, warum diese Entscheidungen ihn nach seiner Auffassung in seinen Rechten verletzen.“

Das sehen andere Oberlandesgerichte entsprechend (vgl. OLG Frankfurt am Main Beschluss vom 19.08.2005 – 3 VAs 36/05). Um also die Chance auf eine inhaltliche und damit möglicherweise positive Entscheidung bei einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG zu wahren, muss das Antragsbegehren substantiiert, d.h. schlüssig, begründet werden. Das Kammergericht verlangt die Angabe von entsprechenden Tatsachen, die dem Senat die erforderliche Schlüssigkeitsprüfung ermöglichen.

Eine solche schlüssige Darstellung soll dem 4. Strafsenat des Kammergerichts nach zumindest in wesentlichen Inhalten die Vollstreckungsgrundlagen und alle angefochtenen Entscheidungen sowie die tatsächlichen und rechtlichen Gründe erkennen lassen, aufgrund derer sich der Antragsteller gegen diese wendet.

Daneben soll vom Antragsteller die angefochtene Entscheidung der Staatsanwaltschaft zumindest in Kopie beigefügt werde. Man muss darlegen, wegen welcher konkreten Taten die Verurteilungen zu welchen Zeitpunkten erfolgt sind und welche der maßgeblichen Straftaten aufgrund einer Abhängigkeit von welchen Betäubungsmitteln begangen waren. Es muss weiterhin ausgeführt werden, welche Tatsachen die Urteilsgründe und die von ihm angesprochenen Unterlagen zur Abhängigkeit und insbesondere zur Kausalität enthalten, um dem Senat eine angemessene Beurteilung zu ermöglichen. Weiter sind Angaben zum eigenen Betäubungsmittelkonsum zu machen und zu erläutern, weshalb dieser zu welcher Zeit sein konkretes Tatverhalten bestimmt haben soll. Erforderlich sind auch substantiierte Ausführungen zum Vollstreckungsverlauf, zu den Strafresten und insbesondere zu einer aktuellen Suchtmittelabhängigkeit, die ebenfalls Voraussetzung für eine Entscheidung nach § 35 BtMG wäre.

Fahruntauglichkeit im Sinne des § 316 StGB bei THC-Nachweis

Das Amtsgericht Tiergarten hat mit Urteil vom 06.April 2011 (310 Ds 32/10) festgestellt, dass bei einer Menge von 20 ng/ml TCH im Serum zur Tatzeit eine absolute Fahruntauglichkeit i.S.v. § 316 StGB vorliegt, ohne dass es auf einen Nachweis von Ausfallerscheinungen oder Fahrfehlern ankommt, auch wenn diese hier vorlagen (stark geweitete Pupillen und träge Reaktion auf Lichteinfall).

Das Gericht stützt sich dabei auf die Empfehlung der Grenzwertekommission, welche bei Vorliegen von 1,0 ng/ml THC im Serum sicher eine rauschbedingte Fahruntauglichkeit i.S.v. § 24a StVG (Ordnungswidrigkeitenrecht) annimmt.Diese Grenze ist nicht unumstritten, gehen doch die zumeist ältere Rechtsprechung und Teile der Literatur davon aus, dass im Strafrecht für Betäubungsmittel – im Gegensatz zu Alkohol – keine „absoluten“ Wirkstoffgrenzen zu finden sind und es daher auch immer auf die Begleitumstände der Tat ankommen muss.Dem hält das Gericht die inzwischen eingetretene wissenschaftliche Entwicklung in der chemischen Analyse der Wirkstoffe sowie ihrer Abbauzeiten und –werte sowie die mittlerweile gewonnen Erkenntnisse über die verkehrs-medizinisch relevanten Wirkungen von Cannabis sowie den Verlauf des Cannabisrausches entgegen.Zudem betont das Gericht, dass es auch für § 316 StGB ausreichen muss, wenn eine THC-Konzentration festgestellt wird, die es als möglich erscheinen lässt, dass die Fahrtauglichkeit eingeschränkt war. Die für § 24a StVG gefundenen Grenzwerte müssen auch auf § 316 StGB angewendet werden, da es sich bei sich bei beiden Tatbeständen um abstrakte Gefährdungsdelikte handelt.