Handy in Haft und Maßregelvollzug

KG, Beschl. v. 10.11.2015 – 5 Ws 120/15 Vollz

1. Der Besitz und die dadurch mögliche Benutzung eines Mobiltelefons gefährden sowohl in einer geschlossenen als auch in einer offenen Justizvollzugsanstalt generell die Sicherheit und Ordnung der Anstalt in einem Maße, das es ausschließt, einzelnen Gefangenen aufgrund einer auf deren Persönlichkeit zugeschnittenen individuellen Prüfung die Verwendung eines Handys innerhalb der Anstalt zu erlauben.

2. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, diese abstrakte Gefahr unterschiedlich zu beurteilen, je nach dem, ob sich der Betroffene in Untersuchungshaft oder im Straf- oder Maßregelvollzug befindet.

Aus den Gründen:

Es ist in § 31 Abs. 2 Satz 2 PsychKG gesetzlich geregelt, dass das Recht des Untergebrachten, nach § 31 Abs. 2 Satz 1 PsychKG persönliche Gegenstände in seinem Zimmer aufzubewahren, eingeschränkt werden kann, wenn die Sicherheit der Einrichtung oder ein geordnetes Zusammenleben erheblich gefährdet wird (vgl. hierzu auch KG, Beschlüsse vom 14. März 2007 – 2/5 Ws 498/06 Vollz -; vom 8. Juli 1998 – 5 Ws 152/98 Vollz – juris Rz. 15). Darüber hinaus ist obergerichtlich geklärt, dass der Besitz und die dadurch mögliche Benutzung eines Mobiltelefons sowohl in einer geschlossenen als auch in einer offenen Justizvollzugsanstalt generell die Sicherheit und Ordnung der Anstalt in einem Maße gefährden, das es ausschließt, einzelnen Gefangenen aufgrund einer auf deren Persönlichkeit zugeschnittenen individuellen Prüfung die Verwendung eines Handys innerhalb der Anstalt zu erlauben (vgl. KG, Beschlüsse vom 25. Januar 2012 – 2 Ws 10/12 Vollz -; vom 30. September 2005 – 5 Ws 362/05 Vollz – juris Rz. 5). Hierauf hat die Strafvollstreckungskammer zu Recht hingewiesen. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, diese abstrakte Gefahr unterschiedlich zu beurteilen, je nach dem, ob sich der Betroffene in Untersuchungshaft oder im Straf- oder Maßregelvollzug befindet. Auch im Maßregelvollzug umfasst die Sicherheit der Einrichtung, nicht anders als im Strafvollzugsrecht, die Sicherung des Gewahrsams des Untergebrachten gegen Flucht oder Befreiung (vgl. KG, Beschluss vom 8. Juli 1998 – 5 Ws 152/98 Vollz – juris Rz. 23). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann das Vorliegen einer Gefährdung der Einrichtung ohne Verfassungsverstoß allein aufgrund der grundsätzlich gegebenen Eignung eines Gegenstandes für sicherheits- oder ordnungsgefährdende Verwendungen bejaht werden, sofern konkrete derartige Verwendungen nur mit einem von der Anstalt nicht erwartbaren Kontrollaufwand ausgeschlossen werden könnten (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 31. März 2003 – 2 BvR 1848/02 – juris Rz. 4; Kammerbeschluss vom 24. März 1996 – 2 BvR 222/96 – juris Rz. 6). Die missbräuchliche und die Sicherheit der Einrichtung gefährdende Nutzung eines Mobiltelefons lässt sich nicht durch dem Krankenhaus … zumutbare Kontrollen wegen des damit verbundenen erheblichen zeitlichen Aufwandes verhindern. Abgesehen davon ist es gerade das Anliegen des Beschwerdeführers, durch die Genehmigung eines eigenen Telefons in seinem Zimmer unkontrolliert telefonieren zu können. Schließlich hat die Strafvollstreckungskammer im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass das Interesse des Beschwerdeführers, das eigene Telefon für sein Fernstudium zu nutzen, nach seinem Gewicht nicht so außergewöhnlich ist, dass damit die Sicherheitsbedenken entkräftet werden könnten (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 31. März 2003 – 2 BvR 1848/02 – juris Rz. 11). Dies gilt erst recht, weil weder dargetan noch ersichtlich ist, dass der Beschwerdeführer ohne den Besitz eines eigenen Telefons in der Fortsetzung seines Studiums unzumutbar behindert wäre (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 31. März 2003 – 2 BvR 1848/02 – juris Rz. 12).

Volltext

Minder schwerer Fall bei Besitz einer nicht geringen Menge Betäubungsmittel

OLG Naumburg, Beschluss v. 22.06.2015 – 2 Rv 60/15

Gegenstand des Verfahrens war Haschisch von sehr schlechter Qualität mit eine THC-Gehalt von lediglich 1%. Dies muss sich laut des Senats in der Strafzumessung auswirken, zumal Haschisch mit einem derart geingen Wirkstoffgehalt möglicherweise überhaupt keine toxische Wirkung hat und ein wesentlich geringers Suchtpotential  als Haschisch mit wesentlich höherem THC-Anteil hat.

In der Entscheidung wird festgestellt, dass die rein abstrakte Möglichkeit der Weitergabe an Dritte nicht strafschärfend berücksichtigt werden darf, wenn Anhaltspunkte dazu fehlen.

Wenn BtM zum Eigenverbrauch bestimmt sind, ist die Annahme eines minder schweren Falles im Sinne des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG beim Hinzukommen weiterer Gesichtspunkte auf beim Besitz eines Mehrfachen, so auch des 11fachen der nicht geringen Menge in Betracht.

Kräutermischungen: nicht geringe Menge von JWH-019

BGH, Urteil v. 5.11.2015 – 4 StR 124/14

Gegenständlich ging es um die Kräutermischungen „VIP“ und „Jamaican Gold Extreme“.

Der 4. Strafsenat hat sich bei der Bestimmung der nicht geringen Menge (ngM) für das synthetische Cannabinoid JWH-019 der Vorgehensweise des 1. Strafsenats  angeschlossen und den Grenzwert der nicht geringen Menge  durch einen Vergleich mit dem Wirkstoff JWH-073 auf dieselbe Menge festgelegt. Mithin liegt der Grenzwert zur nicht geringen Menge JWH-019 bei 6 Gramm Wirkstoffgehalt.

Einschleusen von Ausländern

BGH, Beschlus v. 13.05.2015 – 4 StR 378/14

gekürzt von Verfasserin

Die Strafbarkeit wegen vollendeten Einschleusens von Ausländern setzt das Vorliegen einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat des Geschleusten voraus, § 96 Aufenth G, § 276 StGB.

Fehlt es an einer in § 96 Abs. 1 AufenthG genannten Bezugstat oder wird
diese nur versucht, kommt für den mit Schleusermerkmalen handelnden Teil-
nehmer eine Strafbarkeit wegen versuchten Einschleusens von Ausländern
nach § 96 Abs. 3 AufenthG in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2012
– 4 StR 144/12 aaO; Urteil vom 25. März 1999 – 1 StR 344/98, NStZ 1999,
409). Für die durch § 96 Abs. 3 AufenthG strafrechtlich erfasste versuchte Teil-
nahme gelten die allgemeinen zur Versuchsstrafbarkeit entwickelten Grundsät-
ze. Sowohl für die Anforderungen, die an den Tatvorsatz des Täters zu stellen
sind, als auch für die Prüfung des unmittelbaren Ansetzens kann ergänzend die
Rechtsprechung zur versuchten Anstiftung nach § 30 Abs. 1 StGB herangezo-
gen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2012 – 4 StR 144/12 aaO; Urteil
vom 23. März 1999 – 1 StR 344/99 aaO). Der Versuch des Einschleusens von
Ausländern in der Tatbestandsalternative des Hilfeleistens erfordert danach in subjektiver Hinsicht, dass der Vorsatz des Schleusers auf die Förderung einer
in ihren wesentlichen Merkmalen oder Grundzügen konkretisierten Bezugstat
im Sinne des § 96 Abs. 1 AufenthG gerichtet ist (vgl. BGH, Urteile vom
29. Oktober 1997 – 2 StR 239/97, NStZ 1998, 347, 348; vom 21. April 1986
– 2 StR 661/85, BGHSt 34, 63, 66; vgl. Schünemann in LK-StPO, 12. Aufl., § 30
Rn. 24 ff.). Die objektiven Voraussetzungen des Versuchs sind erfüllt, wenn der
Täter eine Handlung vornimmt, mit der er nach seiner Vorstellung von der Tat
unmittelbar zur Förderung der präsumtiven Bezugstat ansetzt. Maßgebend ist,
wie weit sich der Täter bereits dem von ihm anvisierten Unterstützungserfolg
angenähert und durch sein Handeln eine Gefahr für das betroffene Rechtsgut
begründet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2012 – 4 StR 144/12 aaO).

Anspruch auf Übersetzung der Anklageschrift

BGH, Beschlussv. 10.07.2014 – 3 StR 262/14

gekürzt durch Verfasserin

Der Angeklagte hat nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. a) MRK das
Recht, innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihm verständlichen Sprache in
allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung
unterrichtet zu werden. Dieses Recht beinhaltet für den der deutschen Sprache
nicht hinreichend mächtigen Beschuldigten grundsätzlich die Übersendung ei-
ner Übersetzung der Anklageschrift in einer für ihn verständlichen Sprache;
dies hat in aller Regel schon vor der Hauptverhandlung zu geschehen.  Die mündliche Übersetzung genügt nur in Ausnahmefällen, namentlich dann, wenn der Verfahrensgegenstand
tatsächlich und rechtlich einfach zu überschauen ist (Meyer-Goßner/Schmitt,
StPO, 57. Aufl., Art. 6 MRK Rn. 18 mwN). Durch Gesetz zur Stärkung der Ver-
fahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren vom 2. Juli 2013 (BGBl. I,
S. 1938) ist zudem zur Umsetzung der Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über das Recht auf Dolmet-scherleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren § 187 GVG geändert
worden. Die in Art. 3 der Richtlinie enthaltene inhaltliche Konkretisierung des
Anspruches eines der Sprache des Strafverfahrens nicht mächtigen Beschul-
digten auf schriftliche Übersetzung aller für seine Verteidigung und zur Gewähr-
leistung eines fairen Verfahrens wesentlichen Unterlagen findet danach nun-
mehr in § 187 Abs. 2 Satz 1 GVG dahin ihren Niederschlag, dass in der Regel
die schriftliche Übersetzung von freiheitsentziehenden Anordnungen sowie von
Anklageschriften, Strafbefehlen und nicht rechtskräftigen Urteilen für die Aus-
übung der strafprozessualen Rechte des Beschuldigten erforderlich ist. An die
Stelle der schriftlichen Übersetzung kann nach § 187 Abs. 2 Satz 4 GVG zwar
eine mündliche Übersetzung oder eine mündliche Zusammenfassung treten,
wenn dadurch die strafprozessualen Rechte des Beschuldigten gewahrt wer-
den, was nach § 187 Abs. 2 Satz 5 GVG regelmäßig der Fall sein soll, wenn
der Beschuldigte einen Verteidiger hat (kritisch zu dieser Regelung Eisenberg,
JR 2013, 442, 445). Insoweit hatte der Gesetzgeber indes vor allem die Über-
setzung von Urteilen im Blick; die Verpflichtung zur schriftlichen Urteilsüberset-
zung sollte in der Regel dann nicht greifen, wenn eine effektive Verteidigung
des nicht ausreichend sprachkundigen Angeklagten dadurch ausreichend ge-
währleistet wird, dass der von Gesetzes wegen für die Revisionsbegründung
verantwortliche Rechtsanwalt das schriftliche Urteil kennt (BT-Drucks.
17/12578, S. 12 mwN). Geht es um die Übersetzung der Anklageschrift, ist die
Verfahrenslage aber eine andere, weil durch die Mitteilung der Anklageschrift
gerade die durch Art. 6 Abs. 3 Buchst. a) MRK gewährleistete Information des
Beschuldigten über den Tatvorwurf „in allen Einzelheiten“ bewirkt werden soll.
Auch die Erklärungsrechte des § 201 Abs. 1 Satz 1 StPO werden möglicher-
weise beschnitten, wenn der Angeschuldigte über den Anklagevorwurf nicht
umfassend und zeitnah unterrichtet wird.

Untersuchungshaftvollzugsgesetz des Landes Berlin

Die Regelung des Vollzuges von Untersuchungshaft ist Ländersache. In dem jeweiligen Untersuchungshaftvollzugsgesetzen der Länder ist der Vollzug geregelt, d.h. beispielsweise der Aufbau der Anstalten, die Gestaltung des Vollzuges, die Rechte des Inhaftierten und der Anstalt sowie Disziplinarmaßnahmen.

UVollzBln Stand 2014

Vollstreckungplan für das Land Berlin vom 01.04.2013

Der Vollstreckungsplan jedes Bundeslandes (Ländersache) regelt in welcher Anstalt welche Strafe zu vollstrecken ist. Rechtsgrundlage ist § 152 Strafvollzugsgesetz.

Vollstreckungplan für das Land Berlin vom 1.4.2013

Reform der Tötungsdelikte – Abschlussbericht Expertengruppe

Die Expertengruppe zur Reform der Tötungsdelikte hat ihren Abschlussbericht vorgelegt. Zum Jahreswechsel 2015/2016 will das BMJV darauf aufbauend einen Gesetzentwurf vorlegen. Der Abschlussbericht umfasst insgesamt 909 Seiten.

Den Ausgangspunkt ihrer Arbeit formuliert die Expertengruppe darin wie folgt:

Die Reform der §§ 211, 212 StGB und der Tötungsdelikte insgesamt ist seit langem Gegen-
stand der rechtspolitischen Diskussion. Während zunächst das Problem der Abgrenzung von
Mord und Totschlag im Mittelpunkt der Überlegungen stand – 1977 merkte das Bundesver-
fassungsgericht (BVerfGE 45, 187, 270) an, die Methode der Abgrenzung habe seit jeher
große Schwierigkeiten bereitet, ohne dass bisher eine voll befriedigende Lösung gefunden
worden sei –, konzentrierte sich die Kritik später zunehmend auf die lebenslange Freiheits-
strafe als zwingende Rechtsfolge bei Mord.

Nichterscheinen in der Berufungsverhandlung: Voraussetzungen für Haftbefehl bei Ladung im Ausland

Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss vom  07.04.2014 – 1 Ws 38/14

Die Anordnung der Haft gemäß § 230 Abs. 2 StPO setzt, neben dem unentschuldigten Nichterscheinen des Angeklagten in der Hauptverhandlung, die ordnungsgemäße Ladung des Angeklagten gem. § 216 StPO voraus, wonach in der Ladung zwingend auf die Möglichkeiten der Vorführung und Anordnung der Untersuchungshaft hingewiesen werden muss. Ein derartiger Hinweis ist – nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur – allerdings bei einer im Ausland zu bewirkenden Ladung schlechthin unzulässig, sofern in der Warnung die Vorführung und Anordnung der Haft im Ausland ausgesprochen wird. Eine derartige Warnung geht ins Leere, da die Ausübung hoheitlicher Gewalt auf dem Gebiet eines fremden Staats unzulässig ist und bereits die Androhung der Ausübung von Zwangsmitteln auf fremdem Staatsgebiet einen Eingriff in dessen Souveränität darstellt und dem Territorialsprinzip zuwider läuft (vgl. Senat mit Beschluss vom 21. Mai 2007 – 1 Ws 92/07 – zur früheren Fassung von Nr. 116 Abs. 1 RiVASt; KG Berlin, B. v. 15. April 2013, (1) 3 StE 6/11 – 1 (3/11), zitiert nach juris; Saarländisches OLG, B. v. 13. November 2009, 1 Ws 207/09, zitiert nach juris; OLG Rostock, B. v. 29. Februar 2008, 1 Ws 60/08, zitiert nach juris; Meyer-Goßner, 56. A. 2013, § 216 Rn 4; Gmel in KK-StPO, 7. A. 2013, § 216 Rn 5). Die Haft gem. §§ 329 Abs. 4, 230 Abs. 2 StPO kann gegen einen im Ausland wohnhaften Angeklagten nur angeordnet werden, wenn – übereinstimmend mit Nr. 116 Abs. 1 RiVASt in der Fassung vom 05. Dezember 2012 (III 1 9350 – B1- 300/2010, BAnz 2012, AT 19. Dezember 2012, B 2) – in der Ladung des Angeklagten darauf hingewiesen wird, dass die gem. § 216 StPO angedrohten Zwangsmaßnahmen im fremden Hoheitsgebiet nicht vollstreckt werden können (so Saarländisches OLG a.a.O.; OLG Rostock a. a. O.; Meyer-Goßner a. a. O.; Gmel a. a. O.

Wenn die Ladung des Angeklagten zum Hauptverhandlungstermin nicht den Hinweis enthielt, dass die angedrohten Zwangsmaßnahmen nur auf deutschem Hoheitsgebiet vollstreckt werden können, ist die Anordnung der Haft gem. §§ 329 Abs. 4, 230 Abs. 2 StPO gegen den Angeklagten nicht zulässig.Langtext:

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