Berücksichtigung der Ergebnisse einer Atemalkoholmessung

KG, Beschl. v. 24.09.2015 – (1) 121 Ss 157/15 (15/15)

Leitsatz

Zwar ist es nach der Rechtsprechung ausgeschlossen, zum Nachteil eines Angeklagten eine Blutalkoholkonzentration aufgrund von Messungen festzustellen, die mittels Atemalkoholtestgeräten vorgenommen worden sind. Die Ergebnisse einer Atemalkoholmessung, die erhebliche Beweisanzeichen für die Blutalkoholkonzentration des Angeklagten zur Tatzeit darstellen, sind aber dann zu dessen Gunsten zu berücksichtigen, wenn andere verwertbare Ausgangsdaten für die Berechnung der Blutalkoholkonzentration nicht zur Verfügung stehen.

Volltext

Drogenfahrt, § 316 StGB – Kokain, Alkohol, Ausfallerscheinungen

Gemäß § 316 StGB macht sich strafbar, wer infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht mehr in der Lage ist, sein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr sicher zu führen.

Dies ist – unabhängig von der Fahrweise – stets der Fall, wenn auf den Fahrer zum Zeitpunkt der Fahrt ein Blutalkoholgehalt von 1,1‰ oder mehr einwirkt. Dann liegt die sogenannte „absolute Fahruntüchtigkeit“ vor. Problematisch sind die Fälle, in denen die Blutalkoholkonzentration unter diesem Wert liegt oder auf den Fahrer „andere berauschende Mittel“ einwirken.

In diesen Fällen müssen weitere Tatsachen hinzutreten, aus denen sich ergibt, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des Fahrzeugführers infolge Enthemmung sowie geistig-seelischer und körperlicher Leistungsausfälle so erheblich herabgesetzt ist, dass er nicht mehr in der Lage ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr über eine längere Strecke, und zwar auch bei plötzlichem Auftreten schwieriger Verkehrslagen, sicher zu führen [vgl. BGHSt 13, 83].

Ein Urteil, dass eine Verurteilung nach § 316 StGB beinhaltet muss aus diesem Grunde konkrete  Feststellungen zum äußeren Verhalten des Fahrzeugführers enthalten, die auf seine Fahruntüchtigkeit hindeuten. Als solche Ausfallerscheinungen kommen neben einer regelwidrigen, unbesonnenen, sorglosen oder leichtsinnigen Fahrweise auch solche Verhaltensweisen in Betracht, die eine rauschbedingte Enthemmung und Kritiklosigkeit erkennen lassen, sowie Beeinträchtigungen der Körperbeherrschung wie beispielsweise Stolpern oder Schwanken beim Gehen [vgl. BGHSt 31, 42, 44; KG, Beschluss vom 16. März 2011 –(3) 1 Ss 59/11 (28/11)-].

Hierbei sind die Anforderungen an die rauschbedingten Ausfallerscheinungen umso geringer, je näher der Grad der alkoholischen Beeinflussung an dem absoluten Grenzwert liegt. Das Kammergericht führt in seinem Beschluss vom 15.09.2011 –  (3) 1 Ss 192/11 (73/11) – dazu folgendes aus:

 Da auf den Angeklagten lediglich 0,95‰ Alkohol und 3,8 ng/ml Kokain und 429 ng/ml Benzoylecgonin sowie 65 ng/ml Ecgoninmethylester – sämtlich Abbauprodukte von Kokain – einwirkten, war der – zudem nur für Alkohol existierende – Grenzwert nicht erreicht. Zwar ist die sachverständig beratene Strafkammer ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass infolge des Zusammenwirkens von Alkohol und Drogen das Reaktionsvermögen des Angeklagten, seine Fähigkeit, die Verkehrslage richtig einzuschätzen, beeinträchtigt sein kann und er sein Leistungsvermögen überschätzt, dies genügt jedoch für sich allein zum Nachweis der Fahruntüchtigkeit nicht. Darüber hinausgehende rausch- oder alkoholbedingte Fahrfehler weisen die Urteilsfeststellungen aber nicht aus. Dass der Angeklagte „über eine Fahrstrecke von ca. 500m mit einer Geschwindigkeit von ca. 60 km/h“ gefahren ist (UA S. 4), besagt schon deshalb nichts, weil der diesem Verhalten zugrunde liegende Fahrfehler im Übersehen der entsprechenden Beschilderung liegt und nichts darauf hindeutet, dass die Ursache hierfür die alkohol- und betäubungsmittelbedingte Beeinflussung des Angeklagten gewesen ist. Dass er bei der Kontrolle durch die Polizeibeamten gerötete Augen und einen schleppenden Gang gehabt sowie zeitweilig gelallt habe, lässt auch keinen sicheren Schluss auf eine Beeinträchtigung seiner Gesamtleistungsfähigkeit durch Alkohol und Betäubungsmittel zum Zeitpunkt der Fahrt zu.